Innovationen - Impulsgeber der Wirtschaft

Ein aktuelles Innovations- und Entwicklungskonzept für die gewerbliche Wirtschaft der Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg mit dem Oberzentrum Dessau-Roßlau wurde im Auftrag des Landkreises Anhalt-Bitterfeld im letzten Jahr von einem Projektteam des CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH und der MR Gesellschaft für Regionalberatung mbH sowie der NORD/LB unter Leitung von Dr. Arno Brandt erarbeitet.

Zu den Ergebnissen der Studie befragte die werk-stadt den Projektleiter Herrn Dr. Arno Brandt.

Werk-stadt: Üblicherweise beginnt ein Entwicklungskonzept immer mit einer Stärken- und Schwächenanalyse. Welche Stärken und Schwächen der Region haben Sie analysiert?

Dr. Arno Brandt: Eine wesentliche Stärke der Region ist die Dynamik im wirtschaftlichen Wachstum. Das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) pro Erwerbstätige lag mit 50.900 EUR im Jahr 2009 lediglich im Landesdurchschnitt von Sachsen-Anhalt. Vergleicht man aber das BIP-Wachstum in den Jahren 2000 bis 2009, fiel der Zuwachs an BIP je Erwerbstätigen in der Region doppelt so hoch aus wie im Bundesvergleich und er war kräftiger als im Landesdurchschnitt. Zum zweiten haben wir in den industriellen Bereichen eine deutliche Zunahme von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten zu verzeichnen und ein Anstieg an qualifizierten Arbeitsplätzen. Dies gilt auch hinsichtlich der Existenzgründungen in der Region. Ein weiterer Vorteil ist die Nähe der Region zu den Hochschulen und Universitäten mit starker naturwissenschaftlicher Ausrichtung in Mitteldeutschland. Die Leuchttürme in Halle, Magdeburg und Leipzig haben darüber hinaus eine Vielzahl von Instituten und Clustern, wovon die Unternehmen der Region profitieren können.

Eine Schwäche ist die negative Bevölkerungsentwicklung, die zu deutlichen Beschränkungen des Arbeitskräftepotenzials führen wird. Vor allem die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften wird sinken. Hier besteht hoher Handlungsbedarf. Negativ zu Buche schlägt auch, dass zu wenig außeruniversitäre Forschung und Wissenschaftsfunktionen in der Region vorhanden sind.

Werk-stadt: Wie bewerten Sie das Innovationspotenzial der Region ABI DE WB?

Dr. Arno Brandt: Zur Bestimmung des Innovationspotenzials verwenden wir sogenannte Innovationsindikatoren. Das sind solche Faktoren wie Gründungsintensität, F & E-Aktivitäten und Anteil der Ingenieure. Betrachtet man die Indikatoren einzeln, schneidet die Region nicht sehr gut ab. Wenn man aber die Dynamik bei den Aufholprozessen der letzten Jahre betrachtet, dann muss man das Innovationpotenzial deutlich positiver einschätzen. Es gibt eine Vielzahl an Netzwerken und Clusterinitiativen, die ihr Organisationszentrum außerhalb der Region haben. Diese Cluster strahlen aber aufgrund der Kooperationsverflechtungen der beteiligten Unternehmen auch auf die Wirtschaft der Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg mit dem Oberzentrum Dessau-Roßlau aus.

Werk-stadt: Welche Prioritäten hinsichtlich der strategischen Handlungsfelder empfehlen Sie den Akteuren der Region?

 

Dr. Arno Brandt: Der Engpass in der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften macht es dringend erforderlich, dass das Thema Fachkräftesicherung noch stärker auf die Tagesordnung rückt und dass die vorhandenen Initiativen gebündelt werden. Um die Region nach außen bekannter zu machen und Investoren für die Region zu gewinnen, müssen die Akteure im Standortmarketing besser miteinander kooperieren. Hier sollte man eine gemeinsame Akquisitionsstrategie erarbeiten und effizient die vorhandenen Ressourcen einsetzen. Wir haben festgestellt, dass die Wirtschaftsförderer der Region die punktuellen Leuchttürme wie beispielsweise das Umweltbundesamt (UBA) zu wenig als Kristallisationskern nutzen. Solche Einrichtungen wie das UBA oder das Bauhaus sollten stärker in die Innovationsstrategie einbezogen werden, um vermehrt wissenschaftliche Institute im Umfeld anzusiedeln und Wirtschaft und Wissenschaft besser zu vernetzen. Ich denke dabei an Projekte mit nationaler Bedeutung wie die Entwicklung von neuen Speichertechnologien zur Nutzung der erneuerbaren Energien. In der Region gibt es eine Vielzahl von regionalen Initiativen und Netzwerken, die sich mit dem Thema Klimawandel, Energie- und Ressourceneffizienz befassen. Vielfach fühlen sich die Unternehmen der Region überfordert, diesen Initiativen jeweils nachzukommen. Mit einer Fokussierung der verschiedenen Initiativen in einer „Klima-Manufaktur“, so haben wir das gemeinsame Dach genannt, können die Schnittstellen zwischen Ökologie und Ökonomie stärker gebündelt und genutzt werden.

Werk-stadt: Welche Spezialisierung sehen Sie in der weiteren Entwicklung in den drei Teilräumen (ABI DE WB) der Gesamtregion?

Dr. Arno Brandt: Eine Spezialisierung ist bereits vorhanden. So ist in Dessau-Roßlau die Pharmaindustrie konzentriert angesiedelt und wir haben dort eine starke Konzentration der unternehmensorientierten Dienstleistungen. Das sind beispielsweise Ingenieurbüros,  IT-Dienstleister oder auch Steuerberater. Da gibt eine ganze Bandbreite an Spezialisierungen mit ca. 10.000 Arbeitsplätzen in der Region. In Zukunft sollten die Wirtschaftsförderer auch darauf achten, dass sich Firmen aus diesem Bereich hier gut entwickeln können oder neu angesiedelt werden. Der Bereich der unternehmensorientierten Dienstleistungen ist der Beschäftigungsbringer überhaupt in den letzten 20 Jahren in Deutschland gewesen. Die vorhandene Industrie muss natürlich auch die Nachfrage generieren, damit sie sich entwickeln können.

Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld sind die Chemie- und die Solarindustrie Zukunftsfelder. Auch wenn sich die Solarindustrie momentan in einer Krise befindet, sind wir nicht der Meinung, dass sie keine Zukunft hat. Das Thema innovative Speichertechnologien für Wasserstoff kann in Bitterfeld in naher Zukunft eine große Rolle spielen und zunehmend an Bedeutung gewinnen. Mit der technologisch orientierten Hochschule Anhalt hat der Landkreis einen wichtigen Impulsgeber für die Wirtschaft.

Wittenberg ist wirtschaftlich nicht so stark aufgestellt, besitzt aber Kompetenzen in den Bereichen der Chemie und des Sonderfahrzeugbaues. Hier wird die Spezialisierung in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Wittenberg hat mit seiner Luthertradition ein großes touristisches Potenzial.

Werk-stadt: Wie wird sich die Region Ihrer Meinung nach im Jahr 2025 entwickelt haben?

Dr. Arno Brandt: Zunächst glaube ich, dass die Bäume bis dahin auch noch nicht in den Himmel gewachsen sind, aber dass die Region enger kooperieren und zusammenarbeiten wird. Es wird eine bessere Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft, ein einheitliches Standortmarketing und auch eine engere Zusammenarbeit beim Einsatz von Fördermitteln geben, um die verfügbaren Ressourcen stärker zu fokussieren. Die Region wird zu diesem Zeitpunkt sicher mit den umliegenden Landkreisen enger zusammenarbeiten und sie wird eine selbstbewusstere Rolle in den mitteldeutschen Clustern wahrnehmen. In der Zukunft wird die Region auf dem Gebiet der Energie- und Ressourceneffizienz eine stärkere nationale Bedeutung erlangen.

Innovationskonzept wurde im November 2012 an die Landkreise übergeben.